Barriere Bewegtbild: Inklusive Videos erstellen

10. August 2021 EINFACHkommunikation

Nicht nur Webseiten werden immer multimedialer, auch auf den visuellen Social-Media-Plattformen – allen voran Instagram – nehmen Bewegtbildinhalte einen immer größerer Anteil ein. Inhaltlich gibt es dafür auch gute Gründe: Videos bekommen mehr Aufmerksamkeit, lassen sich heute mit geringem Aufwand produzieren und helfen gleichzeitig, auch komplizierte Inhalte schnell und einfach zu transportieren. Schnell, verständlich – aber auch barrierefrei?

Für unsere Reihe #EinfachBarrierefrei haben wir eine Reihe von ersten Ansätzen zusammengestellt, mit denen auch Bewegtbildinhalte mit möglichst wenig Hürden erstellt werden können.

Von 0.5 bis 1.5: Anpassbare Wiedergabegeschwindigkeit

Als Netflix Ende 2020 bekannt gab, dass die Wiedergabegeschwindigkeit von Filmen und Serien künftig manuell angepasst werden kann, gab es zuallererst einen Aufschrei aus der Reihe der Medienschaffenden – vom Verlust kreativer Kontrolle war die Rede, von ungeduldigen Zuschauerinnen und Zuschauern, vom Ende der Kunst.

Ohne Friends, Ocean’s Eleven & Co. den Kunststatus absprechen zu wollen: Für Personen mit eingeschränktem Seh- oder Hörvermögen bauen flexible Wiedergabegeschwindigkeiten tatsächliche Barrieren ab. Menschen mit Sehbehinderungen sind häufig daran gewöhnt, schnellen Audiowiedergaben zu folgen, während Personen mit Hörschädigungen oder Leseschwierigkeiten die längere Einblendung von Untertiteln schätzen. Auch hier steht die Anpassung an individuelle Bedürfnisse im Mittelpunkt.

Gleichzeitig sollten nicht nur die Videos selbst, sondern auch unterschiedliche Funktionen – von der Wiedergabegeschwindigkeit bis zur Untertitelung – möglichst intuitiv anzusteuern sein. In Deutschland hat die Aktion Mensch genau dafür einen barrierefreien Videoplayer entwickelt, der kostenfrei auf Webseiten eingebunden werden kann. Technisch handelt es sich dabei um den HTML5 Audioplayer MediaElement.js, der mit einem Plugin um eine Auswahlzeile für unterschiedliche Barrierefreiheitsfunktionen ergänzt wird.

Untertitelung: Best-Practice-Beispiel öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Für die Untertitelung selbst gibt es heute bereits einige Erfahrungswerte und Best-Practice-Beispiele, nicht zuletzt auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Seit 2013 werden hier einheitliche Richtlinien für die Untertitelung von Inhalten im gesamten deutschsprachigen Raum genutzt – bei denen sich auch für andere Formate einiges abschauen lässt.

Prinzipiell sollte die Untertitelung möglichst synchron zur gesprochenen Sprache sein. Bei Schachtelsätzen ist für ein besseres Verständnis ein leichtes Umformulieren erlaubt – solange keine wichtigen Informationen ausgelassen werden. Falls die sprechende Person nicht im Bild zu sehen ist, sollte das auch deutlich gemacht werden – wenn möglich, auch direkt mit dem Namen für eine bessere Einordnung. Auch für die Textmenge gibt es Empfehlungen: Untertitel sollten maximal zwei Zeilen einnehmen, pro Zeile aus maximal 37 Zeichen bestehen und 2-4 Sekunden lang eingeblendet sein.

Open vs. Closed Captions

Das Transkribieren des Textes und das Einbinden in das Video selbst ist zusätzlicher Aufwand, ohne Frage. Gleichzeitig werden Videos, besonders auch auf den sozialen Netzwerken, immer häufiger ohne Ton angesehen. So sind Untertitel im Interesse aller. Je nach Plattform gibt es dabei auch technisch unterschiedliche Möglichkeiten: Auf den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter können Untertitel über eine separate Textdatei hochgeladen werden, die Nutzerinnen und Nutzer dann wiederum als sogenannte Closed Captions ein- und ausschalten können.

Eines der am weitesten verbreiteten Textformate für diese Art der Untertitelung sind SubRip-Dateien (.srt), die aus einer Sequenznummerierung, dem Start- und Endzeitpunkt der entsprechenden Sequenz und dem entsprechenden Untertiteltext bestehen. Mit etwas Übung – und technischer Unterstützung durch die Plattformen selbst – wird das Erstellen der Untertitel aber zunehmend einfacher. So kann YouTube zum Beispiel mithilfe von Spracherkennungstechnologie automatische Untertitel erstellen; ein ähnliches Feature wird gerade auch für Instagram Stories ausgerollt.

Kurz: Hier bewegt sich einiges!

Unsere Auflistung verstehen wir selbst auch nur als ersten Schritt: Als “komplett barrierefrei” gilt ein Video erst, wenn neben einer Tonspur auch Untertitel, eine Audiodeskription und eine simultane Übersetzung in Gebärdensprache angeboten werden.

Wir freuen uns jederzeit über Fragen, Anregungen oder Best-Practice-Beispiele für barrierefreie Kommunikation!

Themen

Cover des Buches "Prompt und Pattern" von Annett Bergk und Vivien Pietruck.
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