Krisenkommunikationsgipfel: Wunsch nach Kommunikation auf Augenhöhe

15. März 2021 Annett Bergk

Der Begriff der Krise ist seit einigen Monaten mit der Corona-Pandemie verbunden. Und die Kommunikation mag bei so manchem Unternehmen derzeit vorrangig mit dieser Herausforderung in Verbindung zu stehen. Doch auch ein längerfristiger Blackout oder die Folgen des Klimawandels stellen für Kommunikationsverantwortliche Szenarien mit Krisenpotenzial dar. Zirka 100 Fach- und Führungskräfte folgten der Einladung des Krisennavigators, dem Institut für Krisenforschung Kiel, um beim Krisenkommunikationsgipfel 2021 am 10. März bewältigte und aktuelle kritische Situationen zu beleuchten und zu diskutieren. Das „PR-Journal“ begleitete die Veranstaltung auch in diesem Jahr wieder als Medienpartner.

Tatort: Nicht Leipzig

Viele hätten sich angesichts der hochkarätigen Besetzung von Rednerpult und Podium in insgesamt zehn Sessions sicherlich gern auf den Weg nach Leipzig gemacht. Der Krisenkommunikationsgipfel sollte 2021 als Hybridveranstaltung sowohl im „Leipziger Kubus“ des Helmholtz-Zentrum als auch digital per Konferenzsystem stattfinden – allein die Pandemie-Situation machte dem Organisationsteam um Frank Roselieb, geschäftsführender Direktor des Krisennavigator, einen Strich durch die Rechnung.

Wenngleich das Fachpublikum die Gegend also nicht wirklich unsicher machen konnte, sorgte gleich der erste Vortrag aus der Region für „Tatort“-Feeling: Professorin Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), berichtete über den Jahrhundertraub im Grünen Gewölbe. Dabei sprachen sie und ihr Team nicht nur über den spektakulären Raub und die unmittelbaren Folgen, sondern auch über den anschließenden Kampf gegen Identitätsdebatten, Aggressionen und Reputationsschäden für die Institution. Ein großes Learning sei, Kommunikation so früh und transparent wie möglich, regelmäßig und empathisch zu betreiben. Dem stimmt auch Christopher Hauss, Sprecher Litigation Communications der Volkswagen AG, zu, der sich derzeit mit der Entwicklung einer „Klageindustrie“ konfrontiert sieht (das „PR-Journal“ berichtete darüber bereits im November 2020). Die Parallele zum Fall in Dresden: Auch in Sachen „Dieselgate“ laufen die Ermittlungen noch und die Kommunikation ist dabei, wieder eine aktive und gestaltende Rolle einzunehmen.

Zielgruppe für komplexe Themen: Nicht die Fachpresse

Die folgenden Vorträge, unter anderem mit Susanne Glasmacher, Pressesprecherin des Robert-Koch-Instituts, machten klar, dass ein gutes Team in Krisenzeiten extrem wichtig ist. Neben einem klassischen Leitfaden für Krisenkommunikation („aber bitte nicht zu detailliert, meistens kommt es doch anders als man vorhersehen konnte“ – Zitat Glasmacher) sei dabei der interne Zusammenhalt im Kommunikationsteam sehr, sehr wichtig. „Das RKI war teilweise einem massiven Bashing ausgesetzt. Da ist es essentiell, wenn man sich im Team aufeinander verlassen kann“, erklärte Glasmacher. Zum Bashing hätten auch die sozialen Medien erheblich beigetragen. Man habe nicht die Möglichkeit, auf alle Anwürfe einzugehen, auch ein Monitoring in Echtzeit sei nicht mehr möglich gewesen auf dem Höhepunkt der Krise.

Andererseits stellten auch die veränderten, teilweise an den journalistischen Medien vorbeilaufenden Kommunikationswege eine Herausforderung dar. Die Wissenschaftskommunikation sieht sich entsprechend nicht mehr nur der wissenschaftlichen Fachpresse gegenüber, sondern muss sich gegenüber Interessierten ohne Fachkenntnis in einer neuen Rolle finden. Auch Ulrike Hörchens, Leiterin Unternehmenskommunikation bei TenneT Deutschland, beschreibt die Aufgabe der Kommunikation über komplexe Themen als schwierig. Als Beispiel zieht sie einen einstündigen europaweit relevanten Vorfall heran, für den aufgrund seiner Komplexität erst ein halbes Jahr später eine erste Einschätzung vorliegt, woran es gelegen haben kann.

Ziel: Nicht resignieren

Doch Resignation ist keine Alternative, das Zurückziehen aus dem Dialog keine Option: Die kommunikative Herausforderung besteht darin, Perspektiven und Mut zu geben und Ängste und Sorgen zu nehmen, wie Ralph Schreiber, Regierungssprecher des Freistaats Sachsen, es formuliert. Gerade im Kampf gegen Verschwörungsmythen, Hasskommentare und Gewaltexzesse scheint das schwierig zu sein. „Vieles muss man leider aushalten“, räumt Pascal Ziehm, Leiter der Stabsstelle Kommunikation der Polizei Sachsen im Landespolizeipräsidium, ein. Und Thoralf Schirmer, Pressesprecher der Lausitz Energie Bergbau, ergänzt: „Nicht immer sehen wir den Willen, sich vollständig zu informieren.“ Doch gegen eine laute Minderheit, die mit Unwahrheiten viele erreicht, müsse man vorgehen, da sind sich die Gesprächsbeteiligten einig.

Was bei vielen Referentinnen und Referenten im Laufe des Tages deutlich wird, ist der Wunsch nach Kommunikation auf Augenhöhe. Um die externen Stakeholder, die eigene Belegschaft und die allgemeine Öffentlichkeit zu erreichen, braucht es neben kreativen Ideen und eigener Medien eben auch qualifizierten Journalismus. Und der, so ein Résumé des Tages, sei immer seltener anzutreffen.

Fazit: Das Beste draus gemacht

Den Krisenkommunikationsgipfel 2021 wollte niemand als reine Online-Veranstaltung. Doch das Team um Organisator Frank Roselieb hat das Beste daraus gemacht. Angefangen von der Technik über das Eventpaket mit Kaffeebecher, Ladegerät und Tassenpudding für die Gäste, bis hin zu einem ausgewogenen Themenmix – also längst nicht nur Corona-Themen – war die 31. Folge ein Erfolg. Und doch freuen sich Roselieb und sein Team darauf, die Gäste im kommenden Jahr in Hamburg wieder persönlich begrüßen zu dürfen.

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