Termin mit Thorsten Troge: Rechtlich ist E-Mail-Werbung tot. Faktisch funktioniert sie.

25. August 2020 EINFACHkommunikation

Das Thema DSGVO ist zwar nicht mehr ganz so prominent in den Medien, durch die aktuelle Krisensituation jedoch von enormer Bedeutung. Wir berichteten bereits über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Zeiten von Home Office, nun soll es um die besondere Kommunikation im B2B-Bereich gehen und welche rechtlichen Rahmenbedingungen dabei zu beachten sind. Annett Bergk spricht mit Thorsten Troge, Partner bei der internationalen Full-Service-Kanzlei Taylor Wessing.

Bergk: Im Zusammenhang mit der DSGVO reden viele Unternehmen über die Schwierigkeiten der Realisierung in komplexen Anwendungs- und Systemlandschaften über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg und die vielfältigen Anforderungen, die sich aus der Digitalisierung ergeben. Lassen Sie uns einmal über das Daily Business sprechen. Bedeutete das Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung 2018 rückblickend das Ende der Kaltakquise?

Troge: Die Zeit der belästigenden Werbung seriöser Unternehmen ist vorbei. Grundsätzlich gilt für alle E-Mails oder anderweitigen elektronischen Nachrichten: Es darf nur dann Werbung geschickt werden, wenn eine ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Dafür haben viele beispielsweise die bekannten Opt-in-Systeme eingeführt. Das galt im Übrigen auch schon vor der DSGVO. Diese hat aber die zulässige Speicherung und Nutzung persönlicher E-Mail-Adressen noch mal in den Vordergrund gerückt. Was viele jedoch nicht wissen, ist, dass diese ausdrückliche Einwilligung auch im B2B-Bereich eingeholt werden muss.

Bergk: Das bedeutet also kein Newsletter ohne Einwilligung. Aber gilt das auch für „normale“ E-Mails?

Troge: Ja, wenn es eine werbliche E-Mail ist. Unabhängig davon, ob es eine persönliche E-Mail oder eine Massenmail ist, ob eine generische oder persönliche Ansprache erfolgt, bedarf es der ausdrücklichen Einwilligung. Und diese muss im Zweifelsfall nachweisbar sein.

Bergk: Gehen wir davon aus, dass es einen neuen Kontakt während einer Veranstaltung, beispielsweise während einer Messe, gibt. Man bekommt eine Visitenkarte in die Hand gedrückt. Was darf im Nachgang mit diesen Daten passieren?

Troge: Das, was nachweislich besprochen wurde. Und nur das. „Melde dich. Hier ist meine Karte“ ist keine Einwilligung zum Speichern dieser Daten im elektronischen Adressbuch oder für das regelmäßige Zusenden werblicher Informationen per E-Mail. „Bitte setze mich auf deinen monatlichen Newsletterverteiler“ ist keine Zustimmung für die kurzfristige Information über bevorstehende Events außerhalb dieses regelmäßigen Newsletters. Und so weiter. Das heißt jetzt nicht, dass man niemanden mehr kontaktieren darf, man sollte aber vorsichtig sein und sich das sonst noch einmal – bestenfalls schriftlich – bestätigen lassen.

Bergk: Hand auf’s Herz: Welche E-Mails sind denn überhaupt noch erlaubt?

Troge: Alle E-Mails im Rahmen einer Vertragsabwicklung sind natürlich zulässig und teilweise auch gesetzlich gefordert. Dazu gehören beispielsweise Bestellung, Auftragsbestätigung oder Rechnungsabwicklung. Problematisch wird es, wenn man verschiedene Dinge miteinander verbindet. „Kennen Sie schon unseren Newsletter?“ in der Bestelleingangsbestätigung oder die Werbung für die nächste Messe im Footer einer Versandbestätigung sind nicht erlaubt, wenn keine Einwilligung in werbliche E-Mails vorliegt. Ebenso „Bewerten Sie uns!“ im Nachgang zu einer Veranstaltung oder Bestellung – auch solche E-Mail-Anfragen sind nichts anderes als Werbung. Bekommt ein Unternehmen Anfragen von Kunden, darf dieses selbstredend antworten. Rechtlich ist E-Mail-Werbung tot – zumindest in der Kaltakquise. Faktisch funktioniert sie immer noch erstaunlich gut.

Bergk: Wenige scheinen für das Thema sensibilisiert zu sein. E-Mail-Werbung ist einfach sehr beliebt. Was können Sie Unternehmen als Rat mit auf den Weg geben?

Troge: Ich denke, vielerorts bedarf es der Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, was die externe, elektronische Kommunikation aus rechtlicher Sicht angeht. Verteiler müssen „sauber“ sein, d.h. inklusive der Dokumentation der Einwilligung mit Datum, Uhrzeit, Zustimmungstext und ggf. Bestätigung des zweiten Opt-In. Verteiler dürfen nicht öffentlich gemacht werden. Und nicht zuletzt sollten Beschwerden ernst genommen werden. Denn wer sich beschwert, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht bei der Verbraucherzentrale oder beim Wettbewerbsverband gewesen.

Bergk: Und wie nun funktioniert Kaltakquise noch?

Troge: Will man neue Kontakte elektronisch anschreiben, geht es nicht ohne ausdrückliche Einwilligung. Die bekommt man über die Aufforderung bei Veranstaltungen, Messen etc., sich für den eigenen Newsletter online zu registrieren – oder noch besser auf dem Social Media Kanal zu folgen. Aktiv anschreiben geht unter bestimmten Umständen sonst nur noch per Post. Ein Unternehmen kann sich z.B. mithilfe eines Antwort-Umschlages und eines vorgefertigten zu unterzeichnenden Schreibens die Erlaubnis für genau das einholen, was es kommunikativ künftig zu tun gedenkt – einschließlich Telefon, SMS, E-Mail, oder auch Messenger wie WhatsApp.

Dr. Thorsten Troge ist Partner der internationalen Full-Service-Kanzlei Taylor Wessing. Er berät in allen Fragen des Schutzes des geistigen Eigentums und des Wettbewerbsrechts. Seine Tätigkeit umfasst die Beratung und gerichtliche Vertretung auf dem Gebiet des Markenrechts, des Rechts des unlauteren Wettbewerbs und des Urheberrechts. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören die Begleitung von Werbekampagnen, die Beratung von Online-Shops und Internetdienstleistern sowie Lizenz- und F&E-Verträge.

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