Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) rückt auf die Agenda von Unternehmen und Agenturen. Die Bundesregierung setzt sich mit ihrer Nationalen Strategie für Künstliche Intelligenz gar das Ziel, Deutschland in diesem Bereich zu einem führenden Standort zu machen. Der Einsatz und die Entwicklung von KI bringen jedoch auch neue juristische Fragestellungen mit sich. Annett Bergk spricht deshalb mit Thorsten Troge, Partner bei der internationalen Full-Service-Kanzlei Taylor Wessing.
Bergk: Neben der Absicherung der IT ist der rechtliche Rahmen ein häufiges Thema und auch Hemmnis beim Einsatz von KI. Woran müssen Agenturen aus juristischer Sicht denken?
Troge: Tatsächlich sind die rechtlichen Implikationen des Einsatzes von KI in der Praxis in vielen Bereichen noch ungeklärt; zum jetzigen Zeitpunkt und dem aktuellen Entwicklungsstand beim Einsatz von KI konkret in der Kommunikationsbranche sehe ich aber keine allzu großen Schwierigkeiten. Wie auch sonst, sollte bei der Einlizenzierung von Software und beim Schutz kreativer Arbeiten sollte klar geregelt sein, wer welche Rechte in welchem Umfang erwirbt bzw. welche Nutzungsbefugnisse eingeräumt werden. Eine Besonderheit ist, dass KI in der Regel auf große Datenmengen angewiesen ist, auf deren Basis die KI „lernt“. Hier muss geklärt werden, welche internen und externen Daten in dieser Form automatisiert verwendet werden dürfen. Das ist sowohl eine Frage der Rechte an der Datenzusammenstellung (Datenbankherstellerrecht) als auch ggf. des Schutzes personenbezogener Daten.
Bergk: Nun ist die Rechtslage sicherlich übersichtlich, wenn wir von der Verwendung von Software als Assistenz sprechen – bei der Auswertung von Daten beispielsweise oder der Kontrollfunktion, ob Rechtschreibung, Farbcodes, Stil usw. eingehalten werden. Wie sieht es aber aus, wenn die genutzte Software tatsächlich etwas neues Kreatives schafft?
Troge: Die Technik entwickelt sich schnell, auch bei Texten, ist aber noch nicht so weit, dass man beispielsweise auf Grundlage einiger Worte oder dem Link zur Unternehmenswebsite eine Pressemitteilung erstellen lassen könnte, die einem professionellen, menschlichen Ergebnis ebenbürtig wäre. Wenn wir das jedoch einmal hypothetisch annehmen, so stellt sich die Frage, wer der Autor des Textes ist. Der Programmierer des Algorithmus? Derjenige der diesen mit Daten gefüttert hat, damit dieser „lernt“? Oder derjenige, der den konkreten Text mit ein paar Stichworten bei der Software „beauftragt“, also die Software im Anwendungsfall steuert? Möglich wären auch die Autoren der Texte, die die KI zum Lernen verwendet hat. Spannend ist natürlich auch die Frage, ob die KI eigene Rechte erwerben kann. Dies ist nach derzeitigem Recht allerdings nicht möglich. Es wäre auch kaum praktikabel, denn wer sollte die Interessen der KI wahrnehmen?
Bergk: Das heißt, wir müssen bereits vor dem Einsatz – bei der Zusammenstellung entsprechender Trainingsdaten – über Urheberrechte nachdenken?
Troge: Es sind verschiedene Aspekte zu bedenken. Zum einen ist die Frage, welchen Zugriff die KI auf die Daten hat. Sind diese frei zugänglich, wird ggf. eine unzulässige Datenkopie auf den eigenen Servern erstellt? Darf ich diese Daten nutzen? Sind es personenbezogene Daten? Und welche dieser Daten sind möglicherweise direkt im Ergebnis sichtbar?
Bergk: Das Datenbankherstellerrecht haben sicherlich nur wenige auf dem Zettel. Was genau versteht man darunter?
Troge: Das Urhebergesetz schützt die Rechte des Datenbankherstellers an einer Datenbank, wenn er eine nicht unerhebliche Investition für das Sammeln der Daten getätigt hat. Eine solche Datenbank ist gegen Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe geschützt. Dies betrifft nicht das einzelne Datum, sondern die gesamte Datenbank oder wesentliche Teil der Datenbank. Auch die unzulässige systematische Nutzung unwesentlicher Teile kann der Datenbankhersteller untersagen – und ggf. Schadensersatz verlangen.
Bergk: Nutzungsrechte bei der Schulung der KI vorausgesetzt: Entstehen denn neue Urheberrechte auf das Ergebnis des KI-Einsatzes?
Troge: Wie schon gesagt, es ist unklar, wer überhaupt der Autor des Ergebnisses ist. Wenn es ein reines Zufallsprodukt eines lernenden Algorithmus ist, gibt es keinen Urheber im eigentlichen Sinn. Das heißt, dass technisch gesehen Kunden auch keine Nutzungsrechte an dem automatisiert erstellten Text oder sonstigem Arbeitsergebnis eingeräumt werden können. Wenn dieses Zufallsprodukt jedoch nur als Ausgangspunkt genutzt wird, um beispielsweise eine Kampagne oder einen Claim oder einen Text zu entwickeln, und dann das Ergebnis – wie in der Praxis realistisch – einen hohen Anteil menschlicher Kreativität hat, wird der Mensch der Urheber.
Bergk: Was ist, wenn die KI (vielleicht zufällig) eine Urheberrechtsverletzung begeht?
Troge: KI-Systeme haben keine Regeln. Es sind trainierte Algorithmen, die Ergebnisse auf Grundlage von Wahrscheinlichkeiten und wiederkehrenden Lernen erbringen. Das kann natürlich auch Fehler hervorbringen. Die Haftung liegt in dem Fall aber ganz klar bei dem Verwender des Ergebnisses, also in dem Beispiel bei der Agentur. Hier muss eine Qualitätskontrolle stattfinden wie bei jedem anderen kreativen Produkt.
Bergk: Künftig werden wir also nicht auf die menschliche Komponente verzichten können?
Troge: KI ist zunächst ein Werkzeug für den Menschen. Und dessen Werke, Leistungen und Investitionen werden in Europa u.a. durch das Urheberrecht geschützt. Ausdrucksformen nicht-menschlicher Kreativität erfahren bisher keinen eigenständigen Schutz. Vielleicht ändert sich das irgendwann, aber bisher ist ohnehin das automatisierte Nachahmen des kreativen Prozesses einer Agentur durch KI-Prozesse nicht vollständig abbildbar. Ich persönlich glaube, dass es bei verstärktem Einsatz von KI künftig auf die richtige Bedienung ankommen wird.
Bergk: Sie meinen eine Arbeitsplatzverlagerung von der Kreation hin zur Technik?
Troge: Wenn man so will, ja. Das ist wie bei allen Technologie-Sprüngen. Schnell haben alle dieselbe Software oder Technologie. Um sich von den Mitbewerbern abzuheben, muss man in der Lage sein, aus dem Algorithmus das Beste herauszuholen. Und dafür braucht man geschulte, menschliche Talente, die mithilfe von KI-Software und der richtigen Big Data einen kreativen Schatz heben und das Rohergebnis verfeinern können.
Dr. Thorsten Troge ist Partner der internationalen Full-Service-Kanzlei Taylor Wessing. Er berät in allen Fragen des Schutzes des geistigen Eigentums und des Wettbewerbsrechts. Seine Tätigkeit umfasst die Beratung und gerichtliche Vertretung auf dem Gebiet des Markenrechts, des Rechts des unlauteren Wettbewerbs und des Urheberrechts. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören die Begleitung von Werbekampagnen, die Beratung von Online-Shops und Internetdienstleistern sowie Lizenz- und F&E-Verträge.