Variable Fonts, variable Meinung: Das spricht für und gegen den beweglichen Schriftschnitt

18. Mai 2021 EINFACHkommunikation

Light. Light Italic. Light Condensed. Black. Bold. Oblique. Oder vielleicht doch einfach Regular? Die Variationen innerhalb einer Schriftfamilie erinnert teilweise an die Kaffeeauswahl in hippen Großstadtcafés, statt um Milchalternativen geht es aber eben um das optische Erscheinungsbild einer Schriftart.

Die unterschiedlichen Ausprägungen einer Schriftart – Strichstärken, Breiten, Ausrichtungen – werden üblicherweise in separaten Fontdateien heruntergeladen und einzeln abgespeichert. Eine sogenannte Variable Font hingegen definiert das gesamte Spektrum einer Schrift in einer einzigen Datei, von Stiloptionen bis zur Form von Serifen. Anders formuliert: Variable Fonts sind der Cappuccino-Espresso-Milchkaffee-mit-Sahne.

Fonts: Welche Größe darf es sein?

In der Praxis heißt das, dass sich Designer nicht mehr zwischen einzelnen unterschiedlichen Schriftvarianten entscheiden müssen, sondern „fließende“ Anpassungen vornehmen können – mit Schiebereglern für Breite (Width), Höhe (Height) und Kursivität (Italics). Besonders für Webprojekte bedeutet das ein unglaubliches Potenzial: Über die stufenlose Anpassung kann dieselbe Schrift für unterschiedliche Endgeräte, unterschiedliche Browser oder sogar unterschiedliche Zielgruppen optimiert werden. Responsiv wird zu dynamisch, annähernd wird zu präzise. Und weil die unterschiedlichen Schriftarten einer Schriftfamilie in einer Datei zusammengefasst sind, wird übrigens auch die Geschwindigkeit einer Webseite erhöht – und Datenvolumen eingespart.

Gleichzeitig stehen bei variablen Schriften Text und Design nicht mehr unbedingt in Konkurrenz zueinander, sondern passen sich – im wahrsten Sinne – aneinander an. Anstatt eine Überschrift zu kürzen, weil der Text aus der Zeile läuft, wird die Breite der Schrift angepasst. Anstatt die Schriftart einer Subheadline zu vergrößern wird die Schrifthöhe verändert. Das Ergebnis: Glückliche Texter, glückliche Designer und (hoffentlich) weniger Abstimmungsschleifen.

Mit großer Auswahl kommt große Verantwortung

In den Adobe-Programmen InDesign, Photoshop und Illustrator (den klassischen kreativen Spielräumen für Design und Layout) sind variable Fonts bereits seit Ende 2019 nutzbar, und den gestalterischen Möglichkeiten sind prinzipiell keine Grenzen gesetzt. Die Flexibilität ist gleichzeitig auch die größte Herausforderung beim Einsatz von variablen Fonts: Nur weil der Stil angepasst werden kann, heißt das noch nicht, dass er auch angepasst werden sollte. Auch bei Webprojekten spielt der Faktor Lesbarkeit eine entscheidende Rolle – und sollte bei aller Begeisterung für Typographie und das Spielen mit Strichstärken, Schnitten & Co. nicht vernachlässigt werden.

Noch ist diese Problematik ein Stück weit Zukunftsmusik: Sowohl Adobe als auch Google Fonts bieten bereits eine Reihe von variablen Fonts (darunter Minion Variable Concept und Myriad Variable Concept) an, der Standard ist dieses Verständnis von Typographie aber noch nicht. Besonders für bestehende Corporate Design wird sich das Potenzial von beweglichen Schriften deswegen auch nur langsam in neuen Projekten wiederfinden.

In der Zwischenzeit sind wir am Ausprobieren – und sprechen gerne jederzeit mit Ihnen über die ideale Strichstärke. Bei einem Cappuccino-Espresso-Milchkaffee-mit-Sahne oder einfach einer Tasse Kaffee.

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