Das Buzzword Corporate Influencer brennt nach wie vor etlichen Fachleuten in Unternehmenskommunikation und Human Resources unter den Nägeln. Nicht umsonst legt die Deutsche Presseakademie nach nur einem halben Jahr die zweite Tagung zum Thema „Vom Mitarbeiter zum Botschafter“ nach. Die knapp 150 Gäste bekommen beim Corporate Influencer Day am 30. Januar in Berlin geballten Input zu Themen wie Erfolgsmessung, Content Creation, rechtliche Fallstricke – und natürlich Best-Practice-Beispiele.
Ebenso launig wie eloquent versorgen Anja Lüthy, Professorin an der Technischen Hochschule Brandenburg, und Klaus Eck, Inhaber der Agentur d.Tales, die Tagungsteilnehmer mit impulsgeladenen Keynotes. Lüthy erdet das Publikum: Sie weiß zu berichten, dass in Unternehmen, deren Chefetagen mit „digitalen Analphabeten“ besetzt sind, wohl nie stimmige Corporate-Influencer-Programme starten werden. Auch seien längst nicht alle Mitarbeiter zum Ambassador bestimmt – ein bisschen intrinsische Motivation müsse schon vorhanden sein. Eck räumt mit zahlreichen Missverständnissen auf und trägt zehn Fehler in der Arbeit mit Corporate Influencern zusammen: Weder könnten nur Social-Media-affine Mitarbeiter zu Markenbotschaftern werden, noch ginge es darum, sein eigenes Privatleben zu inszenieren oder reiche es aus, einfach mal loszulegen ohne klare Strategie oder Zielsetzung.
Was geht? Und was nicht?
Vier handfeste Beispiele aus der Praxis, anekdotisch erzählt von „Überlebenden“, geben einen umfassenden Einblick in den Arbeitsalltag mit Corporate Influencern. TUI etwa berichtet darüber, wie mittels LinkedIn zahlreiche Länder-Marken unter ein globales Markendach geführt und nicht weniger als ein Kulturwandel angeregt wurde: Der Employee-Advocacy-Ansatz umfasste drei Stufen und band nach und nach Mitarbeiter unterschiedlicher Management-Ebenen strategisch ein – über 1.000 Kolleginnen und Kollegen nahmen bislang unternehmensweit an speziellen Master-Classes teil, heute sind etwa 20.000 der insgesamt 70.000 Mitarbeiter bei LinkedIn.
Im Falle der stärker B2B-orientierten Kommunikation der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft trägt bereits das Pilotprojekt #teamDEGinvest mit zunächst zehn ausgewählten Mitarbeitern Früchte. Bianca Bauer beschreibt ihren „langen Weg zum Employee Ambassador“ bei Microsoft Deutschland und mit dem Henkel Hive lernen die Tagungsteilnehmer ein Advocacy Programm kennen, bei dem Inhalte für Experten und Führungskräfte kuratiert werden – ein Netzwerk, das zum Kulturwandel beiträgt.
KPI, Kennzeichnungspflicht, King of Content
Im Workshop-Slot zu den rechtlichen Fallstricken eines Corporate-Influencer-Programms kommt Marcel Leeser, Anwalt der Kanzlei Höcker, vor lauter Fragen seines Auditoriums kaum mit den Charts hinterher. Aufgrund der nach wie vor sehr diffusen Rechtslage in Sachen Haftungs-, Kennzeichnungs- oder Impressumspflichten von Corporate Influencern ergibt sich im Tagesgeschäft oft eine „Es kommt ganz auf den Einzelfall an“-Diskussion. Was wohl vielen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren ein etwas mulmiges Gefühl verschafft haben dürfte.
Zwischen insgesamt vier parallel stattfindenden Workshop-Sessions gilt es sich zu entscheiden. Über die Messbarmachung von Corporate-Influencer-Initiativen und die „Readiness“ eines Unternehmens für deren Planung und Umsetzung spricht Christian Henne, Munich Digital Institute, und stellt den eigens dafür entwickelten Score vor. Des Weiteren klärt Martin Kamphausen, Klinikverbund Südwest, die Frage, wer eigentlich „King des Contents“ sei und Anja Schöne präsentiert mit #TeamLV1871 einen weiteren Best Case der Lebensversicherung von 1871 a.G. München.
Immerhin: Die Sessions werden nach einem kurzen Kaffeepäuschen wiederholt, sodass man jeweils „nur“ zwei verpasst. Und die tapferen Referenten stehen nach ihren zwei 90-minütigen Präsentationen beim anschließenden Get-Together noch für vertiefende Fragen und Austausch zur Verfügung.
Da kommt wer auf uns zu
Wir können wohl in naher Zukunft mit zahlreichen neuen Stars und Sternchen am Corporate-Influencer-Himmel rechnen. Unter den Teilnehmern des Events befinden sich große Namen aus Versicherungs- und Finanzwirtschaft, Automotive, Logistik und Einzelhandel. Befragt nach ihrem aktuellen Projektstand hebt etwa die Hälfte aller Teilnehmer die Hand bei „Wir sind am Planen“ – schon „mittendrin“ stecken die wenigsten.
Sie alle tragen ähnliche Fragezeichen vor sich her: Welche zeitlichen Ressourcen sollen Mitarbeiter zur Verfügung gestellt bekommen? Wie begegnet man dem skeptischen Betriebsrat? Wie identifiziert und motiviert man geeignete Mitarbeiter für sein Programm? Welche Rolle spielen Corporate Influencer in Krisenzeiten? … Nach dieser Tagung in der Quadriga Hochschule kehren sie gewiss schlauer zurück an ihre Schreibtische.